All Electric House: wirtschaftliche Konzepte für die Wärmewende mit hoher Energieautarkie – Strom und Wärme vom eigenen Dach
Für den BVF definiert sich das All Electric House darüber, dass die einzige Quelle für die Energie Strom ist. Über den Verbrauch des Haushaltstroms hinaus erfolgt sowohl die Wärmeversorgung, als auch die Warmwasserbereitung über Strom, der zu einem hohen Anteil aus erneuerbaren Energien erzeugt wird.
Grundsätzlich sollten für ein „All Electric House“ mehr als 65 % des Heizwärme- und Warmwasserbedarf über eine gebäudeeigene PV Anlage gedeckt sein.
Ein „All Electric House“ ist also unabhängig von jeglichen fossilen Brennstoffen.
Strom ist das alles verbindende Element für die gesamte Gebäudetechnik.
Die Inhalte zum BVF All Electric House finden Sie auch in unserem White Paper All Electric House: wirtschaftliche Konzepte für die Wärmewende mit hoher Energieautarkie – Strom und Wärme vom eigenen Dach
Grundlagen zum BVF All Electric House
Netzdienlichkeit
Die Sektorkopplung (Elektrizität, Wärme, Kälte und Mobilität) stellt die Konsequenz aus der stromgeführten Nutzung von erneuerbaren Energien dar und fasst alle Komponenten eines Energiesystems zusammen. Die Nutzung von Energiespeichern dient dem Ausgleich von Stromangebot und Stromnachfrage und ist von essentieller Bedeutung. Intelligente Stromnetze verbinden über moderne Kommunikationstechnik Stromerzeuger, Speicher und Verbraucher mit dem Ziel, ein stabiles Stromnetz zu erhalten. Die Ausgangslage ist, dass die Stromversorgung mehr und mehr auf erneuerbaren Energien basiert.
Systemrelevanz erhalten die Bereiche, die a) Strom abnehmen und b) Strom speichern und c) sich ggf. auch (stundenweise) abnabeln lassen, um Lastspitzen im Netz zu vermeiden oder Überschüsse aufzufangen.
Das All Electric House ist daher zukunftsweisend und unterstützt ideal die Energiewende:
Es hat einen hohen Autarkiegrad, es kann zusätzlich Überschüsse aus dem Netz aufnehmen, den Energiebedarf aus dem Netz bei Bedarf reduzieren, Energie in das Netz einspeisen und so Teil des Smart Grids (intelligentes Stromnetz) werden.
Heizungssysteme
Je nach Größe des Hauses und den vorliegenden Rahmenbedingungen kommt als Heizsystem im BVF All Electric House entweder eine elektrische Flächenheizung oder eine wasserbasierte Flächenheizung in Kombination mit einer Wärmepumpe zum Einsatz.
Vielfältige strombasierte Optionen
Die Zusammenstellung der weiteren Haustechnik-Komponenten bezüglich des Heizsystems oder der Warmwasserbereitung kann unterschiedlich gewählt werden und steht neben den individuellen Wünschen und Gewohnheiten der Bewohner auch in Abhängigkeit zur Hausgröße und dem Effizienzstandard des Gebäudes.
Im Folgenden werden die erforderlichen bzw. möglichen Komponenten näher beschrieben. Der BVF möchte damit eine Auswahlhilfe/-übersicht geben, welche Gesamtlösung bei den jeweiligen Rahmenbedingung für ein Gebäude in Frage kommen und sinnvoll sind.
Dämmstandards
Grundvoraussetzung ist eine gute Dämmung bei einem All Electric House. Der BVF empfiehlt die Effizienzhausklasse 55 für die energetische Sanierung von Gebäuden und die Effizienzhausklasse 40 bei Neubauten.
Der Heizwärmebedarf sollte bei maximal 40 kWh/m² pro Jahr liegen.
Erzeugung
Erzeugung
Für die Strom-Erzeugung ist eine PV-Anlage maßgeblich. Die Bandbreite reicht von einem gewissen Autarkiegrad bis zur Erwirtschaftung von Überschüssen (65% bis über 150% bezogen auf den Heizwärme- und Warmwasserbedarf). Für das BVF All Electric House ist es empfehlenswert, eine möglichst große Dimensionierung der PV-Anlage zu wählen, idealerweise über 10kWp für ein Einfamilienhaus.
Alternativ kann, je nach Region, auch eine hauseigene Windkraftanlage zum Einsatz kommen.
Beim Netzbezug empfehlen wir den Einsatz von Ökostrom.
Dimensionierung der PV Anlage
Für Gebäude mit sehr guter Dämmung der Gebäudehülle mit max. 40 kWh/m²Jahr HWB, bezogen auf das Standortklima.
Die Größe der Photovoltaikanlage ist abhängig von der beheizten Fläche und vom Heizwärmebedarf.
Hier die empfohlenen Dimensionierungsfaktoren sowie ein Rechenbeispiel.
Beispiel:
150m² Wohnnutzfläche, HWB 40 kWh/m²Jahr:
Mindestleistung PV=150 x 0,08 = 12kWp
Speicherung
Speicherung
Der Akku eines E-Fahrzeuges bietet sich zusätzlich an, überschüssigen Strom aus der PV-Anlage zu speichern, unter der Voraussetzung, dass das Fahrzeug während der Sonnenstunden am Haus ist.
Beim Einsatz von Wallboxen und E-Fahrzeugen, die das bidirektionale Laden unterstützen, kann der Strom bei Bedarf auch wieder vom E-Fahrzeug zurück in den Haushalt fließen.
Batteriespeicher
Ein Batteriespeicher kann für den zeitversetzten Verbrauch im Bereich Heizwärme, Warmwasser, Haushaltsstrom oder E-Mobilität genutzt werden. Der Stromspeicher sollte passend zur PV-Anlage dimensioniert sein.
Als Faustformel kann man für die Speicherkapazität in Kilowattstunden das 0,8 bis 1,5 fache der PV-Leistung (kWp) ansetzen.
Energiespeicherung über Warmwasserspeicher
Bei All Electric Houses bietet sich über einen Warmwasserspeicher (Boiler oder auch Pufferspeicher) mit elektrischem Heizstab die Möglichkeit, überschüssigen Strom aus der PV-Anlage mittels erwärmtem Wasser zu speichern. Dieser ist idealerweise stufenlos mit Überschusserkennung gekoppelt.
Ebenso ist auch eine Brauchwasserwärmepumpe mit integriertem Speicher in der Lage, Energie in Form von Warmwasser zu speichern.
Eine weitere Möglichkeit, die durch die PV-Anlage erzeugte Energie zu speichern, stellen Pufferspeicher dar. Diese können bei der Nutzung einer wasserbasierten Flächenheizung mit Wärmepumpe zum Einsatz kommen.
Gebäudeteile/-masse als Speicher
Durch die Flächenheizung werden Bauteile, wie zum Beispiel der Fußboden mit Estrich, auch als Wärmespeicher aktiviert und geben die Wärme zeitversetzt ab.
Zudem nimmt der gesamte Baukörper des Gebäudes Wärme auf und gibt diese ebenfalls zeitversetzt wieder ab.
Bei der Nutzung von Heizstromtarifen können dadurch die evtl. Netzabschaltzeiten (max. 2 h in Folge) ausgeglichen werden.
Nutzung der Batteriespeicher von E-Fahrzeugen
Ein Batteriespeicher kann für den zeitversetzten Verbrauch im Bereich Heizwärme, Warmwasser, Haushaltsstrom oder E-Mobilität genutzt werden. Der Stromspeicher sollte passend zur PV-Anlage dimensioniert sein.
Als Faustformel kann man für die Speicherkapazität in Kilowattstunden das 0,8 bis 1,5 fache der PV-Leistung (kWp) ansetzen.
Verbrauch
Verbrauch
Im All Electric House zählen die Heizung und Warmwasserbereitung neben dem Haushaltstrom zu den Hauptverbrauchern.
Verbrauchsanteile EH 40
mit Trinkwasserwärmepumpe mit Warmwasser, Heizung, Haushalts-Strom, Lüftung und Batteriespeicher
(Quelle: siehe ITG Studie 2022)
Deckungsanteile PV: | |
Deckungsanteil PV an TGA (Heizung/Warmwasser/Lüftung) | 45% |
Deckungsanteil PV an Haushaltsstrom | 57% |
Die Beheizung in diesem Beispiel erfolgt über eine elektrische Flächenheizung, die in Boden, Wand oder Decke verlegt werden kann.
Die elektrische Warmwasserbereitung kann alternativ über eine Trinkwasser-Wärmepumpe oder einen elektrischen Heizstab mit Warmwasserspeicher realisiert werden.
Auch Durchlauferhitzer sind denkbar, sie weisen aber keine gute Kopplung zur Erzeugung auf und sollten daher nur in Einzelfällen (z.B. Handwaschbecken im Gäste WC) zum Einsatz kommen.
Alternativ kann im All Electric House ein wasserbasierendes Flächenheizungssystem mit Wärmepumpe zum Einsatz kommen. Dieses bietet im Sommer auch die Möglichkeit der energieeffizienten Flächenkühlung ohne zusätzliche Klimaanlage. Je nach klimatischen Bedingungen kann eine zusätzliche Entfeuchtung sinnvoll sein.
Bei allen All Electric House-Konzepten kommt ein energieeffizientes Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung zum Tragen.
Die Elektromobilität ist eine weitere optionale Komponente des All Electric House. Die Wallbox zur Aufladung der E-Fahrzeuge lässt sich jederzeit in das Gesamtkonzept integrieren.
Energiemanagement-Systeme helfen dabei, Verbraucher möglichst bei Sonnenschein laufen zu lassen.
Stufenlose netzkonforme Leistungssteller regeln die Energieverteilung für die Warmwasserbereitung und die Heizung.
Beispielprojekte
Devi Effizienzreihenhäuser in Clarholz
Kenndaten: | 6 Doppelhaushälften EH 40 plus |
Baujahr: | 2019 |
Ort: | Clarholz bei Gütersloh |
Heizlast: | je Wohneinheit 3.600 kWh pro Jahr |
Technische Ausstattung
- Elektrische Flächenheizung (100 W/m²)
- PV-Anlage
- Dezentrale Lüftung
- Durchlauferhitzer zur Warmwasserbereitung
Als Elektrische Flächenheizung wurde hier das DEVI Heizmattensystem (Glasfaser Gitternetz) unter dem Estrich verlegt. Der Estrich fungiert als Teilspeicher, der die von den Matten erzeugte Wärme aufnimmt und konstant abgibt.
=> Wirkungsgrad wird optimiert.
Die Heizlast der Häuser liegt bei 40-60 W/m².
=> Maximal-Leistung der Flächenheizung von 100 W/m² muss im Regelbetrieb nicht ausgeschöpft werden und steht lediglich als Puffer für Ausnahmesituationen zur Verfügung.
Nach mittlerweile zwei Heizperioden ziehen Bauherren und Mieterein positives Fazit: Die Heizkosten bewegten sich bei fast allen Mietparteien auf einem durchweg niedrigen Niveau von lediglich circa 100 Euro je Heizmonat.
Kalkuliert man die Einspeisevergütungen für den abseits der Heizperiode gelieferten Solarstrom ein, sind die Häuser sogar energetisch kosten- und CO²-neutral.
Einfamilienhaus in Oberösterreich
Kenndaten: | Einfamilienhaus, Niedrigenergiehaus |
Wohnfläche: |
150 m² |
Baujahr: | 2020 |
Ort: | Oberösterreich |
Baubudget: | < 100.000 Euro |
Heizwärmebedarf: |
ca. 50 kWh/m² |
Technische Ausstattung
- Elektrische Flächenheizung
- PV-Anlage (10,98 kWp Photovoltaiknetz gekoppelt, südorientiert, 45° Neigung)
- Warmwasserspeicher mit Heizstab (300 l)
- Anlagensteuerung über AC•THOR (my PV) (ermöglicht stufenlose Regelung für Warmwasserbereitung und Raumheizung)
Die dreiköpfige Familie zahlt nur 750 Euro (ohne MwSt) an Jahresbetriebskosten für Strom, Warmwasser und Raumwärme. Der Netzbezug war mit 7.658 kWh sehr gering, obwohl die Familie mit dem Strom auch heizt und das Warmwasser aufbereitet. Zudem wurden im Abrechnungszeitraum rund 6.700 kWh in das öffentliche Stromnetz gespeist.
Funktionsweise:
Der my-PV Power Meter analysiert die Stromflüsse der PV-Anlage. Mittels Ethernet-Schnittstelle übermittelt er die Informationen überschüssiger Leistungen an den PV-Power-Manager. Dadurch wird stets nur jene Energie zur Wärmeerzeugung verwendet, die gerade zur Verfügung steht. Es kommt daher zu keinerlei Einspeisung in das Stromnetz: Der PV-Eigennutzungsgrad wird maximiert, das öffentliche Niederspannungsnetz entlastet.
Die elektrische Flächenheizung im GEG 2024
ITG Studie: Heizen mit Strom 2022
ITG Studie: Heizen mit Strom 2019
Richtlinien, Broschüren, Info- und Merkblätter zum kostenfreien Download